Ein moderner Streifenwagen mit neuen Applikationen
Versuchslabor auf vier Rädern
Das LZPD entwickelt mit dem Innovation Lab den 150.000 Euro teuren Streifenwagen der Zukunft. Viel Technologie verändert die Polizeiarbeit. Einsatzfähig ist der Wagen in fünf bis zehn Jahren.
Streife-Redaktion

Der Streifenwagen der Zukunft, den das Innovation Lab des Landesamts für Zentrale Polizeiliche Dienste NRW (LZPD) Anfang Juni vorstellte, kommt auf den ersten Blick nicht so futuristisch daher, wie man sich das vielleicht vorstellt. Es ist ein Elektrofahrzeug (Audi Q4 e-tron) mit auffälliger Folierung, die unter anderem einen ertastbaren Polizeistern aufbietet. Unübersehbar ist das Blaulicht, ein wuchtiger Riegel, der LEDs, Sensoren und insgesamt elf Kameras beinhaltet. Wie beim Menschen gilt jedoch auch für dieses Konzeptfahrzeug: Was zählt, sind die inneren Werte – in diesem Fall: die verbaute Spezialtechnik.

Das Gefährt, um das es hier geht, kommt in Silber, Blau und Neongelb daher. „Es ist ein Versuchsobjekt auf vier Rädern, kein einsatzbereites Polizeifahrzeug“, erläutert Dominic Reese, Leiter des Innovation Lab des LZPD. In der Ideenschmiede, die sich unweit der Duisburger City befindet, tüftelt die Polizei NRW seit eineinhalb Jahren an neuer, intelligenter Einsatztechnik und an moderner Ausrüstung. So ist auch der neue Streifenwagen eben kein fertiges Endprodukt, mit dem Polizistinnen und Polizisten schon bald auf ihre Einsätze gehen. Vielmehr wird an und mit dem Modell in den kommenden Monaten und Jahren kräftig weiter geforscht. Allein die verbaute Sensortechnik mit Kameras und Infrarotsensoren wiegt 25 Kilogramm.

„Dieses Auto dient als Technologieträger, um neue, innovative Einsatztechnik zu erproben. Unser Ziel war es dabei von Anfang an, polizeiliche IT-Welten mit dem Fahrzeug zu verschmelzen“, sagt Thomas Franta, Teildezernatsleiter beim LZPD NRW, der für die Bereiche Fahrzeugtechnik und Automotive IT zuständig ist. Klar ist aber schon jetzt: Die verbauten Technologien im „Versuchskaninchen“ geben einen Vorgeschmack auf die Polizeiarbeit der Zukunft – und haben womöglich Auswirkungen weit über das eigentliche Fahrzeug hinaus.

Es sind – neben dem vollelektrischen Antrieb – vor allem drei Technologien, mit denen der Prototyp einen Gang höher schalten kann. Drei neue Technologien, mit denen im Einsatzgeschehen die Sicherheit und die Möglichkeiten der der Beamtinnen und Beamten erhöhen werden sollen:

  • Ein Bordcomputer, der mit der jeweiligen Leitstelle und dem Diensthandy verbunden ist, stellt die Brücke zwischen polizeilicher IT und der Fahrzeug-IT her. Dominic Reese über das neue „Gehirn“ des Autos, das in der Realität ein kleines Modul ist, das im Kofferraum Platz findet: „Es übermittelt den Polizistinnen und Polizisten in Echtzeit Informationen zum Einsatz.“ Bereits auf der Anfahrt können diese nach den Worten des Polizeioberrats wichtig für die Lageeinschätzung sein: Was geschieht aktuell am Einsatzort? Gibt es bereits jetzt schon Hinweise auf Gefahren? Sind Personen flüchtig? Wie werden die Personen beschrieben? In welche Richtung sind sie geflüchtet?
     
  • Car Play. Auf dem großen Bildschirm samt Touchscreen des Audi sind nicht nur all die Infos aufrufbar, die dazu beitragen können, dass die Polizei „vor die Lage“ kommt, wie es NRW-Innenminister Herbert Reul bei der Präsentation des Fahrzeugs ausdrückte. Hier gibt es zudem jene Apps, mit denen die NRW-Polizistinnen und -Polizisten bereits auf den rund 36.000 ausgegebenen Diensthandys arbeiten. Einmal gelernte Funktionalitäten können auf diese Weise ohne Probleme auch im Auto genutzt werden. Und: „Natürlich ist es einfacher und realitätsnäher, eine neue App für eine spezielle Anwendung zu entwickeln, als dass der Autohersteller für uns eine neue Benutzeroberfläche baut“, betont Thomas Franta.
     
  • ​​​Das „sensorbasierte Blaulicht“ mit integrierter Videoüberwachung stammt von einem Schweizer Unternehmen. Im Nachbarland ist es in dieser Form bereits zugelassen. Dank seiner eingebauten Sensoren und Kameras bietet es ein ganzes Bündel an neuen Einsatzmöglichkeiten. „Wir können aus dem Wagen heraus Geschwindigkeitsmessungen vornehmen, den Abstand zwischen den Fahrzeugen auf mehreren Fahrspuren während der Fahrt erkennen und zukünftig per KI kontrollieren, ob jemand am Handy oder nicht angeschnallt ist“, zählt Franta einige Beispiele auf. Dabei werden die Videodaten noch im Streifenwagen computergestützt ausgewertet.

Für die Polizei NRW geht es darum, Polizistinnen und Polizisten auf die Herausforderungen der Zukunft – auf alles, was kommt – vorzubereiten. „Und das bestmöglich“, so Innenminister Reul bei dem Termin in Duisburg. Der digitale Hightech-Streifenwagen, der in dieser Ausführung rund 90.000 Euro (Technik) plus 60.000 Euro (Auto) kostet, ist ein Baustein. Schon dieses Modell erleichtert den Beamten Arbeitsabläufe, wenn ein Teil des Papierkrams etwa künftig noch nutzerfreundlicher und schneller bereits im Fahrzeug erledigt werden kann. In der nun bevorstehenden Erprobungsphase wird sich zeigen, welche der smarten Technologien in fünf, zehn oder fünfzehn Jahren zum festen Inventar eines Streifenwagens gehören könnten.

Das Innovation Lab und seine Mitstreiter in der ganzen Polizei NRW haben über den Streifenwagen hinaus die Zukunft fest im Blick. „Es ist ganz klar, dass wir unsere Prozesse nicht nur digitalisieren, sondern sie auch an die digitale Welt anpassen müssen“, gibt Dominic Reese die Richtung vor. Die Vernetzung ändere nicht nur die Technik im Streifendienst, sondern den gesamten Job, also die Polizeiarbeit als Ganzes. Reese ist sich sicher: „Unser oberstes Ziel ist es, den Beamtinnen und Beamten einen guten und sicheren Arbeitsplatz zu bieten und ihren Job zu vereinfachen. Auf dem Weg dahin werden die Erfahrungen mit dem neuen Wagen einen nicht zu unterschätzenden Beitrag leisten.“

In dringenden Fällen: Polizeinotruf 110