Gedenken zum Volkstrauertag
Gedenken zum Volkstrauertag
Jedes Jahr findet zwei Sonntage vor dem ersten Adventssonntag in Deutschland der Volkstrauertag statt.
Auch die Polizei Dortmund beteiligt sich an den bundesweiten Gedenkveranstaltungen auf Friedhöfen und an Gedenkorten.

Polizeipräsident Gregor Lange am Volkstrauertag:

Nie wieder wegsehen bei Antisemitismus

•Nie wieder Wegsehen bei Fremdenfeindlichkeit und Rassismus

•Nie wieder Abwertung anderer Kulturen

•Keine Chance für menschenverachtenden Rechtsextremismus, nationalsozialistisches Gedankengut und Verschwörungstheorien

•Schutz von Menschenwürde, Freiheit, Gleichheit und Vielfalt

•Schutz von Demokratie und Rechtsstaat

•Einstehen für unsere Verfassung

 

Was wir brauchen
Engagierte Demokraten und durchsetzungsfähige staatliche Institutionen!“ 

Gedenkveranstaltung zum Volkstrauertag 2021 auf dem Dortmunder Hauptfriedhof

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Vertreterinnen und Vertreter des Stadtrates, sehr geehrte Anwesende aus Stadtverwaltung, Schulen, Polizei und Bürgerschaft,

heute blicken wir, mitten in einer weltumspannenden Pandemie und mitten in einer weltweiten Bedrohung der Menschheit durch den menschengemachten Klimawandel, auf ein düsteres Kapitel des 20sten Jahrhunderts. Über hundert Jahre nach dem 1. Weltkrieg und 76 Jahre nach dem einzigartigen Zivilisationsbruch durch den Terror Nazi-Deutschlands blicken wir auch heute noch fassungslos in einen Abgrund unermesslichen Leids, in einen Abgrund von weltweit 65 Millionen Kriegstoten als Bilanz der NS-Diktatur. In einen Abgrund von Entgrenzung und Entmenschlichung, in einen Abgrund des Verfalls von Moral und Anstand.

Wenn wir heute der Kriegstoten gedenken, drängen sich neben der klaren Forderung  - „Nie wieder!“ – Fragen auf: Wie konnte das Land der Dichter, Denker und Erfinder, das Land von Goethe und Schiller, Bach und Beethoven, so tief sinken?

Wer ist dafür verantwortlich, dass Demokratie, Freiheit, Gleichheit und Menschenwürde mit Füßen getreten und letztlich ermordet wurden? Sicher, das verbrecherische Regime der Nazidiktatur hat Namen, hat Verantwortliche für den Aufbau einer Terror – und Schreckensherrschaft.

Aber wie war es möglich, dass ein solches Regime an die Macht kommen konnte? Und wie war es möglich, dass dieses Regime Millionen von jüdischen Kindern, Frauen und Männern, Sinti und Roma Menschen mit Behinderungen und andere gesellschaftliche Gruppen, vor den Augen der deutschen Bevölkerung verschleppen, deportieren und auslöschen konnte?

Dazu gibt es leider nur unbequeme Antworten. Zuerst: Die Nationalsozialisten sind keineswegs durch einen Militärputsch oder durch eine gewalttätige Revolution an die Macht gekommen. Sie wurden gewählt. Zuerst von wenigen. Dann wurden es immer mehr. 2,6 Prozent bekamen sie noch bei den Reichstagswahlen 1928, 1930 wählten sie 18, 3 Prozent, 1932 waren bereits 37,4 Prozent der Wähler bereit, den Nazis Macht zu geben. Diesen Zuspruch nutzten sie für Drohgebärden und Straßenterror, für die Schwächung des demokratischen Systems und kamen so letztlich an die Macht.

Es waren in den Jahren danach Nachbarn und Bekannte oder der Inhaber des Lädchens um die Ecke, die wegen ihrer Zugehörigkeit zum jüdischen Glauben oder wegen anderer Merkmale drangsaliert, verschleppt und umgebracht wurden. Es gab prominente Schauspieler, die sich wegen ihrer Karriere sogar von ihren jüdischen Ehepartnern trennten. Viele haben zugeschaut.

Und die staatlichen Institutionen wie Justiz und Polizei? Sie haben Demokratie und Rechtsstaat nicht verteidigt. Im Gegenteil. Sie waren bereitwillige Handlanger des verbrecherischen Unrechts-Regimes.

Und heute? Warum erhält eine rechtspopulistische bzw. rechtsextremistische Partei bei Wahlen wieder Zuspruch? In vielen Bundesländern zweistellig. Was sagen wir als Nachbarn, Freunde oder Arbeitskolleginnen und-kollegen dazu, wenn gegen Minderheiten gehetzt, Antisemitismus oder Rassismus verbreitet werden oder Menschen auf Kundgebungen und Demonstrationen neben Neonazis und Rechtsextremisten stehen und antisemitischen Verschwörungstheorien von Corona-leugnern nicht entgegentreten. Demokratie, Rechtsstaat und Wohlstand sind kein Selbstläufer. Sie müssen von jeder Generation, von engagierten Demokratinnen und Demokraten aufs neue verteidigt und erhalten werden.

Und Polizei und Justiz? Alle Menschen, egal ob jüdischen, muslimischen oder christlichen Glaubens, ob Atheisten oder gläubig, unabhängig von Herkunft, Hautfarbe oder sexueller Orientierung,  müssen darauf vertrauen können, dass der Staat Demokratie und Rechtsstaat durchsetzt. Und Rechtsextremisten und Verfassungsfeinde in ihre Schranken weist. Diesen Anspruch formulieren wir auch für uns als Polizei in Dortmund!

Deshalb schließe ich heute mit einem Appell:

Nie wieder wegsehen bei Antisemitismus!

  • Nie wieder Wegsehen bei Fremdenfeindlichkeit und Rassismus
  • Nie wieder Abwertung anderer Kulturen zulassen
  • Keine Chance für menschenverachtenden Rechtsextremismus, nationalsozialistisches Gedankengut und Verschwörungsideologien
  • Schutz von Menschenwürde, Freiheit, Gleichheit und Vielfalt
  • Schutz von Demokratie und Rechtsstaat
  • Einstehen für unsere Verfassung
Gedenkveranstaltung 2019 am Ehrenmal auf dem Hauptfriedhof

Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin Jörder, sehr geehrter Herr Dr. Mühlhofer - ich darf auch die Schülerinnen und Lehrer der Europaschule, eine ganze Reihe von Führungskräften aus dem Polizeipräsidium, städtische und politische

Vertreter und ganz besonders auch die Polizeibeamtinnen und –beamten, die hier heute Dienst tun, ganz herzlich begrüßen!

Sie treffen heute - über 100 Jahre nach der Urkatastrophe des 20sten Jahrhunderts, dem 1. Weltkrieg, und 74 Jahre, nachdem mit dem Ende des 2ten Weltkriegs das Ende des fürchterlichen Nazi-Terrors und das Ende eines unvergleichbaren Zivilisationsbruchs besiegelt wurde, auf einen zunehmend nachdenklicher werdenden Polizeipräsidenten.

Hat die Wucht der von Deutschland ausgehenden Menschheitskatastrophe mit weltweit rund 65 Millionen Kriegstoten als Bilanz der NS-Diktatur ausgereicht, um die deutsche Gesellschaft auf Dauer gegen Faschismus, Hass, und Ausgrenzung zu immunisieren? Die Mütter und Väter des Grundgesetzes haben 1949 mit Artikel 1 ein kostbares Fundament in unsere freiheitliche Verfassung gelegt:

 „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ – heißt es da. Nicht etwa: Die Würde des Deutschen, nicht: die Würde des Christen und auch nicht die Würde angeblicher“ Patrioten für das Abendland“ – unsere Verfassung schützt die Würde aller Menschen, unabhängig von Herkunft, Religion oder Hautfarbe. Hierin liegt der Schlüssel für über 70 Jahre inneren Frieden in Deutschland. Innerer Frieden ist die Voraussetzung für Wohlstand und positive Zukunftsperspektiven für jeden Einzelnen und jede Generation in unserem Land und in unserer Stadt. Und er ist die beste Versicherung gegen Krieg.

Doch unser Wertefundament wird in der Zukunft nur fortbestehen, wenn es von überzeugten Demokratinnen und Demokraten aktiv vertreten und gelebt  - und immer wieder gegen die Angriffe ihrer Feinde selbstbewusst verteidigt wird. Aktuelle Entwicklungen in unserem Land fordern gerade jetzt ein beherztes Engagement von Staat und Gesellschaft.

Wie müssen sich Menschen fühlen, die vor Krieg und Terror aus ihren Heimatländern zu uns geflohen sind und dann hier mit Hass, Hetze, Gewalt und Ausgrenzung konfrontiert werden? Welche Gedanken und Gefühle bewegen Menschen jüdischen Glaubens, die – anders als viele ihrer Angehörigen oder Freunde- den Holocaust überlebt haben und heute auf offener Straße antisemitischer Hetze und Gewalt ausgesetzt sind? Was sollen wir denken, wenn rechtspopulistische Parteien selbst nach dem brutalen Anschlag auf eine Synagoge und nach der Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten durch einen Rechtsextremisten immer noch Zuspruch bei Teilen der Bevölkerung bekommen?  Wie geht es politischen Vertretern unseres demokratischen Rechtsstaats oder ehrenamtlich Engagierten damit, wenn sie im Netz bedroht oder auf offener Straße in SA-Manier angegriffen werden?

Die Polizei Dortmund ist fest entschlossen, alle rechtlichen Instrumente, die ihr der wehrhafte demokratische Rechtsstaat zur Verfügung stellt, auszuschöpfen, um die Bevölkerung vor aggressiv-kämpferischen Verfassungsfeinden zu schützen. Es muss darum gehen, Hass und Hetze, Antisemitismus und Rassismus effektiv zu unterbinden, um gefährlichen geistigen Brandstiftern das Handwerk zu legen. Ich setze dabei auch auf die Mithilfe kluger Staatsanwälte und Richter, die  unseren Gesetzen die notwendige Durchschlagskraft geben.

Und schließlich frage mich auch: Wie schwer muss manche Mutter und mancher Vater getroffen sein, deren Söhne oder Töchter in nationalsozialistisches Gedankengut abdriften und sich einer rechtsextremistischen Szene anschließen? Für manche, die sich bewusst entscheiden, gibt es mit Hilfe von staatlichen oder gesellschaftlichen Organisationen einen Weg zurück in unsere Gesellschaft und damit wieder eine positive Zukunftsperspektive. Andere finden niemals einen Weg zurück aus diesem verhängnisvollen Irrweg.    

Ich möchte heute mit den Worten des englischen Schriftstellers Charles Reade (1814 – 1884) nach einer chinesischen Weisheit schließen:

„“Achte auf deine Gedanken, denn sie werden Worte,

achte auf deine Worte, denn sie werden Handlungen,

achte auf deine Handlungen, denn sie werden Gewohnheiten,

achte auf deine Gewohnheiten, denn sie werden dein Charakter,

achte auf deinen Charakter, denn er wird dein Schicksal“.  

Gedenken zum Volkstrauertag 2018

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Vertreterinnen und Vertreter des Stadtrates, sehr geehrte Anwesende aus Stadtverwaltung, Schulen, Polizei und Bürgerschaft,

hundert Jahre ist es jetzt her, seit mit dem Ende des 1. Weltkrieges die Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts zu Ende ging. 10 Mio. Todesopfer unter den Soldaten und geschätzte 7 Mio. zivile Opfer waren das erschütternde Ergebnis. Nur 21 Jahre später, nachdem der nicht verhinderte Aufstieg der Nationalsozialisten in kürzester Zeit aus einer Demokratie eine mörderische Diktatur und aus einer hochentwickelten Zivilisation eine entmenschlichte Barbarei machen konnte, dann der 2. Weltkrieg, der 1939 mit dem Überfall Deutschlands auf Polen begann. Wenn wir an die Toten und die Folgen der NS-Diktatur erinnern, blicken wir in das düsterste Kapitel der deutschen Geschichte. Die Bilanz: Weltweit rund 65 Mio. Kriegstote, darunter viele Mio. Soldaten auf allen Seiten. Der in der Menschheitsgeschichte nie da gewesene industriell betriebene Völkermord der Nazis an den Juden kostete über 6 Mio. Menschen das Leben.

Das was wir hier heute tun ist deshalb auch kein Heldengedenken – so haben die Nazis den Volkstrauertag in der Weimarer Republik umfunktioniert. Wir erinnern uns auch heute -73 Jahre nach Ende des 2. Weltkriegs -der gefallenen Soldaten und Toten, weil Sie uns mahnen, Verantwortung zu übernehmen für das was heute geschieht und in Zukunft geschehen wird.

Diese Verantwortung für ein „Nie wieder“ haben auch die Mütter und Väter unseres Grundgesetzes gesehen und eine Verfassung entworfen, mit deren Hilfe wir seit nunmehr über 70 Jahren mit unseren europäischen Nachbarn in Frieden und Freiheit leben. In der Präambel unseres GG heißt es: „Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen, von dem Willen beseelt, als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen, hat sich das deutsche Volk kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt dieses Grundgesetz gegeben.“

Wir leben auf diese Weise seit vielen Jahrzehnten in dem besten Deutschland dass es jemals gab. Das weiß die überwiegende Mehrheit der deutschen Bevölkerung. Aber es gibt populistische und extremistische Minderheiten, die unsere liberale Demokratie unter lärmenden Beschuss nehmen und dem friedlichen und freiheitlichen Deutschland, so wie wir es kennen und lieben, schweren Schaden zufügen wollen. Solche gefährlichen rechtsextremistischen Minderheiten gibt es auch bei uns in Dortmund. Bundespräsident Frank Walter Steinmeier hat seine Amtszeit unter das Motto „Für die Demokratie streiten“ gestellt. Sehr geehrte Anwesende, dieses Motto ist deshalb so bedeutsam, weil es darauf hinweist, dass es dabei auf jeden von uns ankommt. Wir alle sind es, die die Grundwerte von Menschenwürde, Gleichheit, Freiheit und Schutz von Minderheiten immer wieder gegen Hass und Ausgrenzung, gegen aufkeimenden Antisemitismus und fremdenfeindliche Parolen verteidigen müssen. Demokratie braucht neben einem durchsetzungsfähigen Staat eben auch Demokraten, die sich aktiv für diese Grundüberzeugungen und Werte einsetzen.

Was meinen wir eigentlich damit, wenn wir Art. 1 des GG zitieren: Die Würde des Menschen ist unantastbar? Was heißt das, wenn wir mit Art. 3 des GG formulieren: „Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen einer Behinderung benachteiligt werden?“

Wie verhalten wir uns also, wenn Arbeitskollegen oder Freunde mit billigen ausländerfeindlichen Sprüchen punkten wollen? Nehmen wir das hin oder widersprechen wir?

Wie verhaltet ihr Schülerinnen und Schüler euch, wenn auf dem Schulhof plötzlich das Wort „Jude“ wieder als Schimpfwort benutzt wird?

Wie verhalten wir uns, wenn die manchmal etwas langatmig und aufwändig wirkenden demokratischen Prozesse und der notwendige politische Streit in den Parlamenten von interessierter Seite ins Lächerliche gezogen werden?

Sehr geehrte Anwesende: Jeder von uns hat die freie Entscheidung darüber, wo er stehen will. Die die aus der Geschichte lernen und unser friedliches Zusammenleben in Dortmund mitgestalten wollen genau so wie die, die aus der Geschichte nichts lernen wollen und als integrationsunfähige hasserfüllte Außenseiter in unserem Land und in unserer Stadt auch ihrer eigenen glücklichen Zukunft im Wege stehen.

Äußerer Frieden ist auf die Dauer nur mit Innerem Frieden zu bewahren. Sorgen wir also dafür, dass die Wenigen, aber Lauten bei uns Vielen aber oft Leisen, auf widerstandsfähige Demokraten treffen.

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In dringenden Fällen: Polizeinotruf 110