Nach der veröffentlichen Ausschreibung der diesjährigen „Europäischen Kommissariaten - Frankreich“ bewarb ich mich auf eine der vakanten Stellen, die im Zusammenhang mit den Feierlichkeiten anlässlich des 75. Jahrestages der Landung der Alliierten in der Normandie mit einem deutschen Polizeivollzugsbeamten besetzt werden sollte. Ich wurde für die Besetzung der Stelle in Sainte Mère l’Èglise vorgeschlagen.
Gemeinsam mit zwei irischen Kollegen war ich vom 3. bis 10. Juni 2019 etwa 30 km vom Einsatzort entfernt im beschaulichen Ort Graignes-Mesnil-Angot, untergebracht. Zusammen mit einer „Gendarmerie Mobile Einheit“ (vergleichbar mit unserer Bereitschaftspolizeihundertschaft), die aus dem 1000 km entfernten Nîmes anlässlich der Feierlichkeiten angereist war, wohnten wir in einer Schule. Für die täglichen Fahrten zur Dienststelle in Sainte Mère stand uns ein ziviler Dienstwagen der Gendarmerie zur Verfügung.
StreifendienstZu Dienstbeginn wurden wir zusammen mit Kolleginnen und Kollegen der hauptberuflichen Gendarmen und Reservisten eingeteilt. Wir versahen Streifendienst an allen touristischen Örtlichkeiten des Zuständigkeitsbereiches zur Verhinderung von Straftaten, zur Verkehrsregelung, aber auch zum Schutz der vielen Zeremonien.
Wir suchten proaktiv den Kontakt zu den vielen tausend Besuchern, die in diesen Bereich kamen. So entwickelten sich schnell Gespräche, und viele Gäste waren über die Präsenz der irischen und eines deutschen Polizisten positiv überrascht. Nicht ein einziges Mal waren negative Meinungen und Kommentare zu hören oder zu lesen. Im Gegenteil: gerade in einem geeinten Europa wird die internationale Zusammenarbeit immer wichtiger und stärkt das Vertrauen der Bevölkerung in die Sicherheitsbehörden. Trotz der teilweise volksfestartigen Stimmung kam es zu keinen Auseinandersetzungen der Feiernden.
Noch am letzten Tag hielt mich ein französischer Besucher im Rahmen einer Fußstreife mit dem Wort „Danke“ an. Aus dem anschließenden Gespräch und meiner Frage nach dem „wofür“, entgegnete mir der Mann aus Nantes, dass er aus der Zeitung und dem Fernsehen, die tatsächlich über uns berichteten, von unserer Anwesenheit erfahren habe. Er wolle sich einfach für die geleistete Arbeit und den polizeilichen Schutz bedanken und betonte dabei die aus seiner Sicht wichtige europäische und internationale Zusammenarbeit. Mit meinen Worten „C’est Europe“ („Das ist Europa“) verabschiedeten wir uns herzlich.
HighlightsMein dienstliches Highlight war die Teilnahme an der „Parachutage“ („Fallschirmspringertag“), einer Gedenkveranstaltung für die anlässlich des D-Days im Hinterland gelandeten tausende Fallschirmjäger der alliierten Streitkräfte. Die Veranstaltung fand in La Fière mitten auf dem Land statt und erstreckte sich über mehrere Gemeinden. Gerade die engen Zufahrtsstraßen, die einerseits durch meterhohe Hecken begrenzt und nur für Einsatzfahrzeuge und VIP freigegeben waren, und andererseits halbseitig durch die vielen Fußgänger genutzt wurden, stellten hohe Ansprüche an die Einsatzkräfte aller beteiligten Organisationen, einschließlich der erforderlichen Verkehrsmaßnahmen für die überwiegend mit dem Auto angereisten schätzungsweise 120.000 Besuchern.
An der mehrstündigen Veranstaltung nehmen im Laufe des Tages mehr als tausend Fallschirmspringer aus aller Welt teil und sprangen aus alten sowie neuen Transportflugzeugen ab. Die französische Kunstflugstaffel „Patrouille de France“ zeigte ihr Können und mit einer großartigen Zeremonie an der „Iron Mike“-Staue endete die Veranstaltung.
Persönlicher Höhepunkt war meine aktive Teilnahme an insgesamt fünf offiziellen Zeremonien, innerhalb derer amerikanischer Soldaten gedacht wurde, die durch ihr mutiges Handeln Einheimische gerettet, eine entscheidende Schlacht beeinflusst und dabei ihr Leben geopfert haben. Durch einen mich begleitenden französischen Gendarmen in Paradeuniform lernte ich die Bürgermeister der Umgebung, sowie hochrangige amerikanische und deutsche Militärs kennen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt bekam der ansonsten so abstrakte Krieg ein Gesicht, denn jedes Dorf, jeder Stein, jeder Baum, jedes Feld und viele noch lebenden Einwohner erzählen ihre Geschichten.
GeschichteSainte Mère l’Église befindet sich wenige Kilometer vom amerikanischen Landungssektor „Utah Beach“ entfernt. Es liegt im Hinterland an der im 2. Weltkrieg strategisch wichtigen Hauptstraße nach Caen im Süden und Cherbourg im Norden. Sainte Mère l’Église war der erste Ort Frankreichs, der durch die Alliierten von der deutschen Besatzung befreit wurde. Die Stadt wurde darüber hinaus durch den amerikanischen Fallschirmjäger John Steele bekannt, dessen Fallschirm sich am Kirchturm des Ortes verfing, wo er mehrere Stunden ausharren musste, bis er entdeckt und durch deutsche Soldaten gefangen genommen wurde. Die Kirche der Gemeinde ist heute noch Sinnbild für die Landung der Amerikanischen Fallschirmjäger der 82. US-Luftlandedivision vom 6. Juni 1944.
FazitPersönlich fühlte ich mich von Anfang an in die Arbeit der Kolleginnen und Kollegen vollständig integriert und akzeptiert. Für mich, als deutscher Polizeibeamter, dazu noch bewaffnet und in Uniform, war es eine Ehre, gemeinsam mit den französischen Kollegen Dienst versehen zu dürfen. Eine Erfahrung, die ihresgleichen sucht und schwer zu steigern sein dürfte. Oder um aus dem Gespräch mit dem unbekannten Franzosen des letzten Tages zu zitieren: C’EST EUROPE !