Ich habe immer mit großem Interesse die Berichte von Kollegen gelesen, die im Rahmen der „Europäischen Kommissariate“ im Ausland eingesetzt waren. Oftmals habe ich mir beim Lesen der Berichte gedacht „wenn Deine Kinder größer sind, machst Du das auch mal.“ Jetzt war die Zeit gekommen, dass die familiäre Situation eine längere Abwesenheit zuließ, ohne in Konflikte zu geraten.
Meine Bewerbung in diesem Jahr für die Armada in Rouen war dann erfolgreich. Bei der „Armada“ handelt es sich um ein internationales Treffen von Großseglern. Das Treffen findet lediglich alle vier Jahre statt. Die Veranstaltung begann am 8. Juni und endete am 18. Juni 2023. In der Ausschreibung für die Veranstaltung war eine Besucherzahl von „mehr als 4 Millionen“ Besuchern prognostiziert worden. Die Polizei von Rouen ging im Nachgang von 6 Millionen Besuchern aus. Grund für die hohen Besucherzahlen war sicherlich das durchweg trockene und sonnige Wetter.
Gemeinsam mit der Kollegin Leonie Schmidt vom PP Köln fuhr ich am 7. Juni mit dem PKW nach Rouen. Als wir am frühen Abend ankamen, suchten wir direkt die Polizeidienststelle in Rouen auf. Dort wurden wir in einem gesonderten Dienstgebäude, das als Anlaufstelle für sämtliche Sondereinsatzkräfte für die Armada fungierte, sehr freundlich und professionell empfangen. Uns wurde eine Mappe mit Info-Material rund um die Armada überreicht sowie Schlüssel für Spind und Waffenfach, Zugangskarte für das Dienstgebäude und ein Diensthandy. Meinen privaten PKW konnte ich auf einem überwachten Parkplatz für Polizeibedienstete abstellen. Im Anschluss an den Empfang wurden wir durch einen Kollegen der französischen Polizei zu unserem Hotel gebracht. Nach einer kurzen Pause im Hotel erkundeten Leonie Schmidt und ich ein wenig das Veranstaltungsgelände beidseitig der Seine.
Am nächsten Morgen trafen wir beim Frühstück in unserem Hotel auf Kolleg*innen aus Spanien und Italien. Nach einem ersten „internationalen Austausch“ wurden wir von französischen Kollegen am Hotel abgeholt und zum Gebäude der Police Nationale gebracht. Dort wurden wir von Babette und John empfangen. Beide sind Schieß- und Einsatztrainer der Polizei Rouen. Sie waren für unsere Betreuung abgestellt. Babette und John zeigten uns bei bestem Wetter das Veranstaltungsgelände. Unsere 8-er Gruppe fiel sofort auf. Wir wurden alle paar Meter angesprochen und erklärten jedem Interessierten gerne, warum französische, spanische, italienische und deutsche Polizisten gemeinsam auf Streife gehen. Die Reaktionen darauf waren durchweg mehr als positiv. Wir waren ein beliebtes Foto-Motiv.
Ab dem zweiten Tag der Veranstaltung wurden die ausländischen Kollegen in zwei Dreiergruppen aufgeteilt. Eine Gruppe versah Dienst von 09.30 Uhr bis 18.00 Uhr. Die andere Gruppe von 19.00 Uhr bis 03.00 Uhr. Nach einer Woche wurden die Dienstzeiten getauscht.
Wir waren der „Compagnie Departementale D’Intervention“, kurz „CI“, zugeteilt. Die CI ist innerhalb der Polizei eine uniformierte Eingriffseinheit, die im normalen Dienstgeschehen den Wachdienst unterstützt und für Sondereinsätze und Veranstaltungen herangezogen wird.
Die CI von Rouen besteht aus zwei Kolonnen, die im normalen Einsatzgeschehen nur Früh- und Spätdienst versieht. Unsere zwei Gruppen ausländischer Polizeibeamter war auf diese zwei Kolonnen aufgeteilt. Innerhalb der Kolonne wurde jeweils ein ausländischer Polizeibeamter einer Gruppe von drei französischen Kollegen zugeteilt. Aufgabe der CI war es, das Veranstaltungsgelände zu bestreifen, Präsenz zu zeigen und ansprechbar zu sein, das Sicherheitsgefühl der Besucher zu stärken und Einsätze, die sich auf dem Veranstaltungsgelände ereignen, zu bearbeiten.
Am 8. Juni 2023, also am ersten offiziellen Tag der Armada, kam es in Frankreich (Annecy) zu einem Anschlag. Ein Syrer hatte auf einem Spielplatz Kinder und Erwachsene mit einem Messer angegriffen und mehrere Personen schwer verletzt. Dadurch wurden die Sicherheitsmaßnahmen für die Armada nochmals erhöht. So war ein Beamter einer CI-Gruppe ständig mit einem G 36-Gewehr bewaffnet.
Neben Kräften der Polizei wurde das Veranstaltungsgelände noch von schwer bewaffneten Einheiten der französischen Armee bestreift.
Während der Tagschicht waren wir als ausländische Polizeibeamte auch an einem Info-Stand zur polizeilichen Arbeit eingesetzt. Dort fand ein intensiver Austausch mit den französischen Kollegen statt, die den Stand betreuten. Zudem wurde durch unsere Anwesenheit die Aufmerksamkeit für den Info-Stand der Polizei nochmals erhöht. Auch dort waren wir ein beliebtes Foto-Motiv und traten immer wieder ins Gespräch mit französischen und auch deutschen Besuchern, die von der Idee der europäischen Zusammenarbeit der Polizeien begeistert waren.
Am 8. Juni 2023 wurde der Info-Stand auch von dem französischen Staatsminister (Secrétariat D’État chargé de la mer), Herrn Hervé Berville, besucht. Herr Berville nahm sich die Zeit für ein kurzes Gespräch mit uns. Er erkundigte sich nach unseren Heimatbehörden und bedankte sich bei uns, dass wir die französische Polizei während der Armada unterstützen.
Im Vergleich zur Tagschicht, wurde die Armada während der Nachtschicht von jüngeren Besuchern aufgesucht. Entlang des Veranstaltungsgeländes waren Restaurants, Cafés und Kneipen mehr als gut gefüllt. Zudem gab es mehrere Party-Zelte, wo DJs auflegten und ausgelassene Party-Stimmung herrschte. Auch nachts war das Besucheraufkommen sehr hoch. Hier ergaben sich Einsatzanlässe wie Streitigkeiten, Schlägereien, Drogendelikte, die von uns wahrgenommen wurden.
Auf einem großen Platz neben dem Seine-Ufer war eine Konzertbühne aufgebaut. Jeden Abend fanden dort drei kostenlose Musikkonzerte verschiedener Bands und Musikrichtungen statt. Nach Beendigung der Konzerte wurde ebenfalls jeden Abend ein sehr langes und aufwändiges Feuerwerk gezündet. Das Feuerwerk war für die Besucher und auch für uns immer ein Highlight. Nach dem Feuerwerk strömte eine Masse an Besuchern Richtung Ausgang. Hier war eine unserer Aufgaben, das sichere Abfließen der Besucherströme zu gewährleisten.
Nach Dienstschluss hatten wir die Gelegenheit, auch die sehr schöne Altstadt der Stadt Rouen zu besichtigen. Die Altstadt ist geprägt von alten Fachwerkhäusern, kleinen Gassen und netten Lokalen. In der Altstadt ist insbesondere die Kathedrale von Rouen imposant sowie der große Uhrenturm (Le Gros Horloge) und der Place du Vieux-Marché, auf dem im Jahr 1431 Jeanne d’Arc verbrannt wurde.
Am letzten Veranstaltungstag legten die Großsegler ab 08.00 Uhr vom Seine-Ufer ab. Das Ablegen wurde unter anderem von der „Patrouille de France“, der offiziellen Kunstflugstaffel der französischen Luftwaffe, begleitet. Auch das war eine beeindruckende Vorstellung.
Insgesamt verlief die Armada 2023 aus polizeilicher Sicht trotz der enormen Besucherzahlen friedlich.
Die Zusammenarbeit mit den französischen Kollegen war sehr angenehm und verlief reibungslos. Wir wurden überall sehr freundlich empfangen und aufgenommen. Das Interesse der französischen Kollegen an der Deutschen Polizei war groß. In vielen Gesprächen wurde die Arbeitsweise, das Einschreiten, die personelle und materielle Ausrüstung der Deutschen Polizei erfragt und verglichen. Es wurden sehr viele Parallelen festgestellt.
Die Armada 2023 in Rouen war für mich ein unvergessliches Erlebnis. Aufgrund der positiven Erfahrungen werde ich mich auch im nächsten Jahr für eine Auslandsverwendung in Frankreich bewerben.